Vegetarische Ernährungsformen
Der Verzehr von Fleisch geht immer dann, wenn es mal wieder einen Skandal um das eine oder andere Tier von dem es stammt gibt, zurück. Schon kurze Zeit später finden sich die Verbraucher aber wieder an der Fleischtheke ein, um beherzt zuzugreifen. Immer mehr Menschen beschließen aus diesen Grund, sich zukünftig vegetarisch zu ernähren. Dies geschieht meist jedoch mit (zumindest teilweise) schlechtem Gewissen, schließlich wird allerorten vor möglichen Mangelerscheinungen gewarnt. Was kann nun eigentlich empfohlen werden?
Philosophie und Thesen

Vegetarier sind nicht gleich Vegetarier, weshalb es schwierig ist eine einheitliche Philosophie vorzustellen. Der Unterschied fängt schon an,wenn man nach den Motiven fragt. Der überwiegende Teil (über 78 %) ernährt sich nach einer Studie von Leitzmann aus gesundheitlichen Gründen vegetarisch. Fast ebenso viele (69 %) tun dies aus ethischen Gründen. Aber auch ökologische, religiöse und sogar kosmetische Gründe werden genannt.
Allen vegetarischen Kostformen gleich ist die Ablehnung von Fleisch und Fleischprodukten. Die vegetarische Idee beinhaltet jedoch noch mehr. Verknüpft mit der Ernährung soll auch eine hohe körperliche Aktivität, und der weitgehenden Verzicht auf Nikotin und Alkohol sein.
Eine weitere Gruppe, die sich im Prinzip auch vegetarisch ernährt, sollte noch erwähnt werden: Die sogenannten "Puddingvegetarier". Diese verzehren hauptsächlich Süßwaren und niedrig ausgemahlene Mehle sowie Speisen daraus. Vollkornprodukte und Gemüse haben nur einen geringen Anteil. Zum Gesundheitszustand dieser Gruppe gibt es leider bisher keine Untersuchungen. Nach den bisherigen Kenntnissen der Ernährungswissenschaft ist diese Ernährung aber wenig vorteilhaft.

 
Ernährungsrichtlinien

Einer der ersten Vegetarier war Pythagoras. Der vegetarische Gedanke ist dann im Laufe der Zeit von verschiedenen Personen weitergesponnen worden, so dass es heute eine Vielzahl vegetarisch orientierter Kostformen gibt, die hier zum Teil auch vorgestellt werden. Beispielhaft seine die Waerland-, die Schnitzerkost und die Ernährung nach Bircher-Benner genannt.

Je nachdem welcher Art von Vegetarismus praktiziert wird, unterscheidet man grob 3 Gruppen von Vegetarieren.

Alle Gruppen ziehen als Nahrungsquelle pflanzliche Lebensmittel vor. Sind zusätzlich Milch und Eier erlaubt, spricht man von Ovo-Lacto-Vegetariern, ist nur Milch erlaubt, von Lacto-Vegetariern. Als Veganer wird die Gruppe bezeichnet, die gar keine tierischen Lebensmittel akzeptiert. Die ursprüngliche Idee des Vegetarismus sah übrigens den Verzehr von Milch und Eiern vor. In der Praxis können die meisten Menschen nicht so streng in die Gruppen eingeordnet werden, da auch mancher Lacto-Vegetarier hin und wieder ein Ei isst und einige Ovo-Lacto-Vegetarier einen Fisch oder gar ein Stück Fleisch.

 
Bewertung

Bei der Bewertung vegetarischer Kostformen muss zwischen den schon erwähnten drei Hauptformen differenziert werden. Erwachsene Lacto-Vegetarier und Ovo-lacto-Vegetarier sind in der Regel relativ gut mit Nährstoffen versorgt, Veganer weniger. Die einzelnen kritischen Nährstoffe werden im Folgenden besprochen.

Veganer nehmen geringe Mengen an tierischem Fett, Purinen und Cholesterin auf. Also alles Stoffe, die mit dem Auftreten moderner Zivilisationskrankheiten in Verbindung gebracht werden, wenn auch in manchen Fällen, wie z.B. die Aufnahme von Cholesterin, heute nicht mehr als direkt ausschlaggebend für das Entstehen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betrachtet wird. Die Zufuhr an komplexen Kohlenhydraten, sekundären Pflanzenstoffen und vielen Vitaminen ist erfreulich hoch, so das eigentlich nichts gegen diese Ernährung spricht, wären da nicht die Mineralstoffe Eisen, Calcium, Jod und das Vitamin B12, bei denen es zum Teil zu einer Unterversorgung kommen kann.

Eisen:
In Deutschland wird ein Eisenmangel relativ häufig diagnostiziert, auch wenn selten klinische Symptome auftreten. Dies wird (übrigens nicht nur) von Anhängern der vegetarischen Ernährung immer wieder zum Anlass genommen, die Empfehlungen zur Eisenzufuhr in Frage zu stellen. Fakt ist, dass die Verfügbarkeit von Eisen aus der Ernährung von vielen Faktoren abhängig ist. Das macht ein Abschätzen der Verfügbarkeit relativ schwierig. Die Empfehlung von 10-15 mg Eisen am Tag enthält daher einen relativ großen Sicherheitszuschlag. Für die meisten Menschen scheint dieser aber zu hoch zu sein, so dass wir im Allgemeinen (nicht aber unbedingt im Einzelfall!) mit weniger Eisen auskommen. Abhängig von der Ernährungsweise können Vegetarier einen bessern oder schlechteren Eisenstatus haben. Bedingt durch eine Vitamin C-reiche Ernährung und relativ leere Eisenspeicher, wird die Aufnahme beispielsweise erhöht. Wird relativ viel Tee zu den Mahlzeiten getrunken oder werden häufig oxalsäurereiche Gemüse (Rhabarber, Spinat, Mangold, Kakao) verzehrt, ist die Eisenaufnahme verschlechtert.

Erhöht die Eisenaufnahme 
Verringert die Eisenaufnahme
Vitamin C-reiche Ernährung
Oxalsäure z.B. in Spinat, Mangold, Kakao und Rhabarber
Zitronensäure
Teegenuß
(bis 1 Std. nach Mahlzeit)
leere Eisenspeicher
Antazida
(Säureblocker f. Magen)
 
Phytin (Hafer, Weizenbrot)

Anders sieht die Eisenversorgung im Kindesalter aus. Kinder gehören, werden sie vegetarisch ernährt, zu einer besonderen Risikogruppe für das Auftreten von Eisenmangel. Ihr Eisenbedarf ist gerade in den ersten zwei Lebensjahren besonders groß. Bereits ein latenter Eisenmangel macht sich in einem gestörten Stoffwechsel des Zentralen Nervensystems (ZNS) bemerkbar. Folge eines Eisenmangels sind die Beeinträchtigung der Sprachentwicklung und des Gleichgewichtsinns. Somit sollten Säuglinge und Kleinkinder schon wegen des drohenden Eisenmangels auf gar keinen Fall vegan ernährt werden. Aber auch mit einer ovo-lacto-vegetarischen Ernährung sollte erst im Erwachsenenalter begonnen werden.

Vitamin B12
Vitamin B12 kommt nur in tierischen Lebensmittel und geringen Mengen in fermentierten Produkten (wie z.B. Sauerkraut) vor, so dass bei einer veganen Ernährungsweise ein Mangel im Prinzip vorprogrammiert ist. Dieser tritt nicht sofort auf, da der menschliche Körper einen ca. 10 Jahre reichenden Speicher hat. Ist dieser aufgebraucht, kommt es zur sogenannten perniziösen Anämie. Diese Gefahr ist bei der veganen Ernährungsform besonders groß. Ovo-lacto-Vegetarier haben zwar niedrige Vitamin B12-Speicher, das klinische Bild der perniziösen Anämie tritt aber nur sehr selten auf.

Auch hier sieht das Bild für Säuglinge und Kleinkinder wieder ganz anders aus. Von sich vegetarisch ernährenden Müttern gestillte Kinder bekommen sozusagen schon über die Muttermilch nicht genügend Vitamin B12, so dass ihre Speicher von Anfang an nicht richtig aufgebaut werden. Ohne Zufütterung tierischer Lebensmittel entwickeln sie meist im zweiten Lebensjahr Vitamin B12-Mangelsymptome, wie z.B. eine verlangsamte neurologische Entwicklung, deren Folgen Apathie und Koma sein können. Somit sollten auch schwangere und stillende Frauen sich nicht vegan ernähren.

Das es aber auch anders geht, zeigt eine Untersuchung an iranischen Veganern , die trotz strikter Vermeidung von tierischen Lebensmitteln, keinen Vitamin B12-Mangel aufwiesen. Der Grund dafür waren fäkale Verunreinigungen über die Düngung, die aufgrund der mangelnden Säuberung des Gemüses mitverzehrt wurden und so das nötige Vitamin B12 lieferten. Eine Praxis, die man sich in hiesigen Verhältnissen allerdings nicht vorstellen kann.

Calcium
Durch den Wegfall der Milch und Milchprodukte bei der veganen Ernährungsweise kann es zu einer Unterversorgung von Calcium kommen. Ein langer Calciummangel wird für das Auftreten der Osteoporose verantwortlich gemacht. Da der Calciumhaushalt allerdings sehr komplex geregelt ist, kann die Gleichung Kein Clacium = Osteoporose nicht so ohne weiteres aufgestellt werden. In der westlichen Welt ist die ausreichende Versorgung mit Calcium aber anerkannter Schutzfaktor vor der Osteoporose. Die veganische Ernährungsform kann daher in Bezug auf die Calciumversorgung nicht empfohlen werden. Ovo-lacto-Vegetarier nehmen bei Verzehr normaler Mengen von Milch und Milchprodukten genügend Calcium auf. Und auch hier gilt für den jungen Organismus wieder das gleiche, wie für die schon erwähnten Nährstoffe. Gerade in den ersten Lebensjahren ist die ausreichende Versorgung mit Calcium besonders wichtig. Vegane Ernährung sollte daher für Säuglinge und Kinder tabu sein. Auch im Erwachsenenalter ist sie in Hinblick auf das Calcium nicht zu empfehlen. Anders bei der ovo-lacto vegetarischen Ernährung. Durch Milch und Milchprodukte kann auch im Kindesalter genügend Calcium zugeführt werden.

Jod
Bei der vegetarischen Ernährung kann es, bedingt durch den fehlenden Verzehr von Seefisch, zu einem Jodmangel kommen, der aber nur äußerst selten beobachtet wird. Grund dürfte die Verwendung von Jodsalz und der Einsatz von z.B. Tiefkühlprodukten sein, der es möglich gemacht hat, auch Jodmangelgebiete mit pflanzlichen Lebensmitteln aus Gegenden mit mehr Jod zu versorgen.

 
Stimmen der Fachwelt

Deutsche Gesellschaft für ErnährungDie DGE urteilt über die Vegane Kost: "Die vegane Ernährung...kann zu Mangelerscheinungen an bestimmten Nährstoffen führen. Betroffen sind vor allem Eiweiß, Vitamin B12, Calcium, Eisen und Jod." Sie rät daher Personen mit erhöhtem Nährstoffbedarf, wie Schwangeren, stillenden Frauen, Kindern dringend davon ab, sich vegan zu ernähren. Aber auch alten Menschen empfiehlt die Gesellschaft die strenge Kostform nicht.

Ovo-lacto-vegetarische Kost:
Bei dieser Ernährungsform sieht die DGE vor allem die ausreichende Zufuhr der Nährstoffe Eisen und Jod gefährdet. Darüber hinaus beurteilt sie den ovo-lacto-vegetarischen Speiseplan als zu einseitig. Die Gefahr einer Fehlernährung sieht sie jedoch bei geschickter Lebensmittelauswahl nicht. Positiv wird die, bedingt durch den hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel, hohe Aufnahme von Vitaminen, Mineralstoffen, Kohlenhydraten und Ballaststoffen gesehen. Insgesamt wird die Kost überwiegend positiv beurteilt.

 
Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenDer AID meint zu der veganen Ernährungsform "Durch den Verzicht auf Fleisch, Milch und Milchprodukte sowie Eier kann die vegane Ernährungsform zu Mangelerscheinungen führen. Nur bei umfangreichem Ernährungswissen und geschickter Kostzusammenstellung ist der Nährstoffbedarf gesichert. ... Durch den Verzicht auf sämtliche vom Tier stammenden Lebensmittel kann ein Mangel an Eiweiß, Vitamin B12, Jod, Calcium und Eisen auftreten. Deshalb ist die vegane Kost besonders für Schwangere, Stillende, Säuglinge und Kleinkinder nicht empfehlenswert."

Die ovo-lacto-vegetarische Kostform wird vom AID positiv bewertet: "Es zeigt sich dass Vegetarier im vergleich der übrigen Bevölkerung ein geringeres Körpergewicht, niedrigeren Blutdruck und niedrigere Blutfettwerte haben. Diese Ergebnisse sind günstig zu bewerten...". Problems sieht der AID in der Versorgung mit Vitamin B12, Jod und Eisen.
Als nachteilig betrachtet die Vereinigung die Tatsache, dass je nach Auslegung der Theorie "der Anteil der komplexen Kohlenhydrate und die Calciumzufuhr zu tief ausfallen kann."

 
Prof. Koletzko Kinderarzt (München)
Der Kinderarzt beurteilt die ovo-lacto vegetarische Ernährung prinzipiell positiv: "Eine physiologisch hochwertige Ernährung ist auch ohne Fleisch möglich, wenn Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt werden." Einschränkend hält er jedoch einen hohen Kenntnisstand und eine sehr bewußte Lebensmittelauswahl für erforderlich. Nicht geeignet hält er die vegetarische Ernährung für Schwangere, menstruierende Frauen, Leistungssportler, Senioren und Kinder. Hier sieht er die Gefahr einer Unterversorgung mit Eisen, Zink und Vitamin B12. Ab ca. dem 6. Lebensmonat sollten Kinder seiner Meinung nach als Beikost auch mageres Fleisch erhalten.

 
Weitere Informationen und Literatur:

http://www.vegetarierbund.de
Der deutsche Vegetarierbund bietet auf seinen Seiten z.B. eine Suchmöglichkeit nach vegetarischen Restaurants in ganz Deutschland.

http://www.vegetarismus.ch
Die schweizerische Vereinigung für Vegetarismus bietet eine Menge Information. Interessant auch die Vorstellung von Untersuchungsergebnissen, die gängige Lehrmeinungen anzweifeln.

Leitzmann/Hahn
Vegetarische Ernährung
Verlag Ulmer 1996, UTB für Wissenschaft Nr. 1868, Taschenbuch 445 Seiten, 30 Abbildungen, 118 Tabellen - 36,80 DM (ISBN 3-8252-1868-6).

Frese / Gutschenreiter:
Das grosse Handbuch der vegetarischen Vollwert-Ernährung
Eigenverlag: M. Frese, Allensteiner-Weg 1, D-25524 Itzehoe,
1993, 478 Seiten - DM 59,00 DM

Marlis Weber
Vollwertkueche fuer 1 Person GFW-Verlag, 7920 Heidenheim, Otto Kochstr., - 19,80 DM (ISBN-3926876-050)
 

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