Ideensammlung zum Thema "Fleischeslust"
1. Allgemeine Überlegungen
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft! - Wer mag sich nicht gerne diesem Werbeargument anschließen, um seine liebgewonnene Fleischportion nicht missen zu müssen. Wie selbstverständlich Fleisch heute schon in unseren täglichen Speiseplan integriert ist, machen einige Mahlzeiten deutlich: Ein typisches Mittagessen besteht gewöhnlich aus Fleisch, Gemüse und Beilage, also Kartoffeln, Reis oder Nudeln. Fehlt das Fleisch, gilt die Mahlzeit häufig nicht als vollständig. Nur Gemüse, Soße und Beilage wirken irgendwie nicht ausreichend.
Betrachtet man nun aber typisch deutsche Essen, wie Leberkäse und Ei, Bratwurst und Brötchen, Spaghetti mit Hackfleischsoße, Pommes mit Mayo oder Ketchup, Kässpätzle, Maultaschen mit Ei, Frikadelle mit Brot und Senf, etc., so fällt auf, daß hier das Kriterium der Vollständigkeit plötzlich gar nicht mehr gilt.
Fleisch allein oder mit einer Kohlenhydrat (also Kartoffel-, Brot-, Nudel-) komponente gilt bei uns als vollständige Mahlzeit. Es drängt sich der Gedanke auf, daß das Argument der Vollständigkeit vorwiegend dazu dient, nicht auf das geliebte Fleisch verzichten zu müssen.

Aber aus der Geschichte sind auch Zeiten bekannt, zu denen Fleisch keinen solch hohen Stellenwert besaß. So wird über die römische Herresverpflegung berichtet, daß Caesars Truppen in Albanien schwer unter dem Weizenmangel gelitten haben sollen. Es wurde ihnen hoch angerechnet, daß sie sich überhaupt herabließen, Schlachtvieh, das in Hülle und Fülle vorhanden war, zu essen. Als sich die Truppen besonders gut schlugen, wurde die Weizenration verdoppelt, nicht die Fleischration.

Mit dem Siegeszug des Fleisches hat sich aber auch die "Eßkultur" gewandelt. In Amerika hat sich mit der Ausdehnung der Vorstädte (die durch die Ausbreitung des Autos möglich wurde) auch das Eßverhalten geändert. Der Vorstadtbewohner mußte das Essen seinem temporeichen mobilen Leben anpassen. Essen mußte planbar, schnell und zeitsparend werden. Die Lebensmittelindustrie reagierte mit dem Hamburger. Dieser ist fast ebenso schnell herzustellen, wie man ihn essen kann.

Heute werden fast 40% der in den USA verzehrten Fleischmenge in Form von Hackfleisch konsumiert. Mehr als die Hälfte der Einwohner in den USA lebt nicht weiter als 3 Autominuten vom nächsten Fast-Food-Restaurant entfernt. Gut, mag man sagen, was gehen mich die Amerikaner an. Aber selbst eine so bedeutende deutsche Institution wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt erst seit 1989 „weniger tierisches Eiweiß..."

    1984 erklärt die DGE zwar, daß eine vermehrte Ausnutzung pflanzlicher Eiweißquellen von Vorteil ist und daß gewichtige Gründe dafür sprechen, Fleisch und Fleischprodukte eher als Beilage zu verwenden, eine ausdrückliche Empfehlung zur Reduktion des Fleischverzehres erfolgt aber erst im Jahre 1988und ist nur auf fettreiche Sorten beschränkt.
2. Ist der Mensch ein Fleisch-, oder Pflanzenfresser?
Die ältesten Vorfahren der Primaten (zu denen die Menschen gehören) lebten vor etwa 50 Millionen Jahren auf Bäumen und ernährten sich von Insekten; danach dann von Früchten und Blättern. Vor etwa 5 Millionen bis 2 Millionen Jahren lebten die späteren Vorfahren der Menschen (die Australopithecen) in der Savanne und ernährten sich überwiegend von Blättern und pflanzlicher Kost (Früchte, Samen, Wurzeln).
Der Anteil tierischer Kost nahm in dieser Zeit zu. Unklar ist jedoch, ob diese Tiere (Kleinstlebewesen) gejagt wurden oder ob sie als Kadaver verzehrt worden sind. Vor etwa 2 Millionen Jahren erfolgte das eigentliche Auftreten der Gattung Mensch. Steinwerkzeuge wurden erstmals zur Jagd eingesetzt, und es kam zu einem Anstieg des Fleischverzehrs. Diese Epoche wird auch als Zeit der Jäger und Sammler bezeichnet. Der (geschätzte) Anteil des Nahrungseiweißes betrug zu dieser Zeit 250 g/Tag, wobei ca. 190 g auf tierisches Eiweiß entfielen. Dieses Eiweiß stammte damals fast ausschließlich von freilebendem Wild. Über die gesundheitlichen Folgen dieses hohen Fleischkonsums liegen keine Angaben vor. Vor etwa 10.000 Jahren begann dann der systematische Anbau von Nahrungspflanzen und damit auch das Zeitalter des Ackerbaus.
Erst 4500-2000 v. Chr. stieg der Anteil der tierischen Kost wieder an, da nun Haus- und Nutztiere domestiziert wurden.

Der Mensch kann also, geschichtlich gesehen, als Allesfresser mit Schwerpunkt auf pflanzliche Nahrung eingestuft werden. Einen Auslesewert hatte dabei aber offensichtlich weder die rein tierische noch die rein pflanzliche Kost. Bei der Katze als reinem Fleischfresser besteht der Verdauungstrakt z.B. zu 70% aus Magen. Aufgrund der Zusammensetzung des menschlichen Verdauungstraktes läßt sich schließen, daß wir eine Stellung zwischen Pflanzen- und Fleischfressern einnehmen. Die Bedeutung der pflanzlichen Kost für den Menschen ist auch daran erkennbar, daß er nicht in der Lage ist, Vitamin C selbst zu synthetisieren. Außer dem Menschen sind dazu nur Meerschwein, Affe und einige Vogelarten nicht in der Lage. Reine Fleischfresser können dies immer. Auch die Art der Zähne (Mahlzähne) weist darauf hin, daß der Mensch eher auf den Verzehr pflanzlicher Lebensmittel ausgerichtet ist.

Es gab aber in der frühen Entwicklungsgeschichte der Menschen immer wieder Zeiten, zu denen viel Fleisch verzehrt worden ist. Zu Zeiten der Jäger und Sammler wurde, wie oben bereits erwähnt, etwa 190 g tierisches Eiweiß verzehrt. Da dieses Eiweiß jedoch nahezu ausschließlich von frei lebendem (fettarmen) Wild stammte, war damit die Aufnahme des tierischen Fettes (ca. 30 g) viel geringer als heute (ca. 130 g). Hinzu kommt, daß es immer wieder Zeiten gab, in denen Nahrung knapp und ein kleines Fettpolster überlebenswichtig waren. Schließlich wurde das Fett auch immer wieder abgebaut, so daß es zu keinem dauerhaften Übergewicht kommen konte.

Nun hat der Mensch seit dieser Zeit eine ganze Reihe evolutionärer Veränderungen durchgemacht. Die Frage, die sich stellt, lautet: Was ist aus heutiger Sicht eine artgerechte Ernährung für den Menschen?
Um es kurz zu machen:
Es spricht eigentlich alles dafür, daß der Mensch auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung (mit tierischen Anteilen) ausgerichtet ist.

3. Wie hat sich der Fleischkonsum entwickelt?
Die Ernährungsgewohnheiten der Menschen haben sich in den letzten 200 Jahren (besonders in den letzten 50 Jahren) so stark wie nie zuvor geändert.
In den letzten 4 Jahrzehnten stieg der Fleischkonsum auf bis zu 100 kg pro Person und Jahr. Lediglich im späten Mittelalter soll der Konsum schon einmal mit 100 - 140 kg/Person und Jahr (das heißt 270 g-380 g pro Person und Tag) in ähnlicher Rekordhöhe gelegen haben. Auf diese Änderung war der Mensch in diesem Maße nicht vorbereitet (Siehe auch: Macht Fleisch krank?). Durch die Zunahme an Fleisch und Fleischprodukten bei gleichzeitigem Rückgang der Aufnahme an Kohlenhydraten (durch den geringeren Verzehr an Gemüse und Obst) kam es zu einer Überversorgung mit tierischem Fett und zu einer Unterversorgung an Ballaststoffen und einigen Vitaminen, die auch heute noch festzustellen ist.
Die Entwicklung des Eiweißverzehrs (tierisch und pflanzlich) zeigt die nachstehende Grafik an:


Nach dem 2. Weltkrieg nahm prozentual am schnellsten der Verzehr von Geflügelfleisch zu. Dennoch nimmt in den letzten paar Jahren der Fleischkonsum ab. Zahlen von 1995 (EU 43/10, S. 383) zeigen, wie sich der Fleischkonsum pro Kopf und Jahr in jüngster Zeit entwickelt hat:

 
1994
1995
Menschlicher Fleischverzehr
(gesamt/Kopf und Jahr)
62,2 kg
61,7 kg
davon Schwein
40,0 kg
39,6 kg
davon Rind
12,0 kg
11,3 kg
davon Geflügel
7,6 kg
7,9 kg
davon Wild, Kaninchen
1,0 kg
0,9 kg
davon Innereien
1,2 kg
1,1 kg
davon Schaf/Ziegenfleisch
0,7 kg
0,7 kg

Der leicht Rückgang des Gesamtverzehrs und die Tendenz weg vom fetteren Schweinfleisch, hin zum fettärmeren Geflügelfleisch, läßt die vage Vermutung aufkommen, daß es dem Verbraucher nicht mehr um eine mengenmäßige Vermehrung des Fleischkonsums zu gehen scheint, sondern eher um eine Steigerung der Qualität.
4. Macht Fleisch krank?
Viele der heute "alltäglichen" Zivilisationskrankheiten gibt es erst seit (evolutionsgeschichtlich gesehen) relativ kurzer Zeit. Mit dem Anstieg des Fleischkonsums stieg parallel das Auftreten bestimmter Zivilisationskrankheiten an. Sicher kann nicht alles auf das Fleisch zurückgeführt werden. Auch andere Faktoren, wie das Rauchen, mangelnde Bewegung, Alkoholkonsum etc. begünstigen das Auftreten bestimmter "Volkskrankheiten".

Einen Zusammenhang zwischen hohem Fleischverzehr und bestimmten ernährungsabhängigen Krankheiten gibt es bei:

  • Hypercholesterinämie (Arteriosklerose)
  • Hyperurikämie (Gicht)
  • Übergewicht (durch die versteckten Fette: Herzkrankheiten, Schlaganfall)
  • Osteoporose (ab 100 g Eiweiß/täglich, (wie bei uns üblich) ist die Ca.-Resorption vermindert.
Aber auch Schadstoffe (wie z.B. Dioxin) werden mit Fleisch überdurchschnittlich viel aufgenommen. Aus Fleisch, Fisch und Eiern erfolgt 2/3 der Gesamtdioxinaufnahme. Die Schadstoffansammlung im tierischen Organismus erklärt sich durch seine, im Vergleich zum pflanzlichen Lebensmittel, viel längere Lebensdauer. Je länger ein Organismus lebt, desto länger hat er Zeit, Schadstoffe in sich zu konzentrieren. Die prädestinierten Organe hierfür sind Fettgewebe und Innereien. Da der Mensch am Ende der Nahrungskette steht, verzehrt er somit die konzentrierten Schadstoffe, um sie in sich ein weiteres Mal zu konzentrieren. Viele der Schadstoffe können leider nicht wieder ausgeschieden werden.
Für Frauen stellt das Stillen, die einzige -sehr zweifelhafte- Möglichkeit dar, die angesammelten Schadstoffe abzugeben.

Die moderne Massentierhaltung führt ebenfalls zur Konzentrierung unerwünschter Inhaltsstoffe im Fleisch. Bedingt durch das geforderte schnelle Wachstum und den Bewegungsmangel sind die Tiere oft krankheitsanfällig und müssen medikamentös behandelt werden. Ob die Wartezeiten, bis ein Medikament vom tierischen Organismus abgebaut ist, immer eingehalten werden, ist fragwürdig. Eine lückenlose Kontrolle ist nicht möglich.

5. Wie steht's um die Fleischqualität?
Der Fleischpreis
Fleisch ist über die Jahre gesehen sehr viel billiger geworden. 1950 mußte ein durchschnittlicher Industriearbeiter noch 3,5 Std. für ein Kilogramm Schweinefleisch arbeiten. Heute braucht er dazu nur noch ca. 45 Minuten. Um die Miete für die eigene Wohnung zahlen zu können, wird hingegen heute mehr Arbeitszeit geopfert.

Geht man davon aus, daß der Preis die Qualität eines Produktes (oder die in das Erzeugnis hineingesteckte Arbeit) widerspiegelt; beantwortet sich beim Fleisch die Frage nach der Qualität schnell von selbst. Oft sind die klassischen Futtermittel für Zuchttiere teurer als das Schlachtfleisch selbest.

PSE-Fleisch
Bedingt durch die enorme Geschwindigkeit von Aufzucht, Schalchtvorgang und Weiterverarbeitung, taucht immer mehr sogenanntes PSE-Fleisch auf. Dieses Fleisch ist blaß (pale), weich (soft) und wässerig (exudativ). Typisches Merkmal ist, daß es in der Pfanne spritzt, einschrumpelt und nachher nicht schmeckt.
Eine der Hauptgründe für solch minderwertiges Fleisch ist der, daß die Tiere (vorwiegend Schweine) vor dem Schlachten Streß haben.

Mechanismus:

  1. Vermehrte Muskeltätigkeit (Muskeltonus) und Hyperthermie
  2. ATP (Adenosintriphosphat)-verbrauch erhöht
  3. Glykolyse erhöht (glykolytische Enzyme erhöht)
  4. Beschleunigte Milchsäurebildung (schon während des Schlachtens)
  5. Erhöhte Denaturierung von Eiweißen (sarkoplasmatischer Proteine)
  6. Schlechtes Wasserbindungsverhalten
PSE-Fleisch ist vorwiegend bei hellem Fleisch zu finden, da dieses viel Glykogen enthält, das im o.g. Prozeß beschleunigt abgebaut wird.
6. Der ökologischer Aspekt
Die Erzeugung tierischer Lebensmittel erfordert einen hohen Einsatz von Energie (Brennstoff, Öl). Um ein Rindersteak zu produzieren, verbraucht eine intensive Rindermast beispielsweise bis zu 35mal soviel Primärenergie, wie Nahrungsenergie in ihm enthalten ist. Der Anbau von Nahrungspflanzen ermöglicht andererseits einen bis zu zehnfachen Gewinn der hineingesteckten Energie. Weiterhin kommt es zu sogenannten Veredelungsverlusten. Tiere als Lebensmittel besitzen nur einen Bruchteil der von ihnen aufgenommenen Energie (10-35%). Die bei der Massentierhaltung auftretende Gülle stellt ein echtes Umweltproblem dar. In erster Linie kann das in ihr enthaltene Nitrat in das Grundwasser gelangen und die Trinkwasserqualität negativ beeinflussen. Doch damit nicht genug. Die Beiträge der Rinderhaltung zum Treibhauseffekt sind ähnlich groß wie die des gesamten Autoverkehrs, wenn Waldrodung für Weideland und Futtermittelanbau mit einbezogen werden. Hinzu kommt, daß die Intensivmast Futtermittelexporte aus Drittländern (meist Entwicklungsländern) erfordert, wodurch dort oft erst der Nahrungsbedarf der Bevölkerung nicht mehr gedeckt werden kann.
Heute stammen 60% der Futtermittel aus der 3. Welt. Aber auch in Deutschland werden 64% des Getreideertrages als Futtermittel benutzt.
7. Resümee
Viele Argumente sprechen gegen eine Ernährung mit viel Fleisch. Wieso essen wir dann eigentlich immer noch so viel davon? Neben dem Geschmack, der oft als Argument genannt wird, ist wohl auch die Tatsache, daß sich die Masse der Bevölkerung über Jahrhunderte, aufgrund von Fleischknappheit, vorwiegend von pflanzlicher Kost ernähren mußte, ein Erklärungsansatz; zumindestens für das Ernährungsverhalten der älteren Generation.
Der Gedanke an die Möglichkeit einer fleischlosen Ernährung kommt gar nicht erst auf.

In klassischen Menüs hatte Fleisch früher einen besonderen Stellenwert: Als Star (Dirigent) eines Essens, um den sich das Orchester (bestehend aus Gemüse, Kartoffel, Soße, Dessert) scharrt.
Heute, so scheint es, haben wir angefangen, Fleisch eher als Staßenmusiker zu betrachten.
 

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