Alkohlarmer Likör mit großer Wirkung
1979 erlangte ein französicher Likör, der "Cassis de Dijon", für kurze Zeit europaweiten Ruhm. Zumindestens im Kreise der Menschen, die sich mit dem Lebensmittelrecht beschäftigen. Das Gerichtsurteil zum "Cassis" hatte nämlich weitreichende Folgen für das heutige Lebensmittelrecht der EG
Der Fall "Cassis"
Anlaß war ein Rechtsstreit zwischen der Bundesrepublik und Frankreich. In dem Streit ging es um eben jenen französischen Likör aus der Stadt Dijon. Die Bundesrepublik wollte den Likör vom deutschen Markt verbannen, da er hinsichtlich des Alkoholgehaltes ncht der deutschen Rechtssprechung entsprach. In Deutschland mußte ein Fruchtsaftlikör nämlich nach der "Verordnung über den Mindestweingeistgehalt von Trinkbrantweinen" von 1958, mindestens 25% Alkohol besitzen. Der "Cassis" wurde in Frankreich aber mit einem Alkoholgehalt von 15 - 20% verkauft.

Die Argumente der Bundesrepublik waren allerdings weniger gut gewählt. So erklärte sie, daß der geringere Alkoholgehalt eine gesundheitlichen Gefährdung darstelle, weil dieser zu einer leichteren Gewöhnung führen würde. Getränke mit einem höheren Weingeistgehalt hätten damit also eher einen abschreckenden Charakter. Der Europäische Gerichtshof entgegnete dazu, daß auf dem deutschen Markt sowieso genügend Getränke mit unterschiedlichem Alkoholgehalt angeboten werden würden. Außerdem würden Getränke mit hohem Alkoholgehalt üblicherweise nach belieben verdünnt werden.

Das zweite Argument gegen den französichen Likör, war das des "unlauteren Wettbewerbs". Nach Meinung der Bundesrepublik hatten die Franzosen, durch den niedrigeren Alkoholgehalt des "Cassis", auf dem Likörmarkt nämlich einen entscheidenden Wetbewerbsvorteil, da der Weingeist, bedingt durch die erheblichen steuerlichen Abgaben, bei weitem der teuerste Bestandteil des Getränkes sei.
Nach Meinung der Bundesrepublik hätte dies bald dazu geführt, daß wegen der steuerlichen Vorteile, immer geringere Grenzen für den Alkoholgehalt beantragt und gebilligt worden wären. Der europäische Gerichtshof wies als Antwort auf dieses Argument darauf hin, daß die Angabe des Alkoholgehaltes auf der Verpackung eines jeden Erzeugnisses vorgeschrieben sei. Damit sei der Käufer angemessen unterrichtet.

Die Klage der Bundesrepublik wurde abgewiesen und festgehalten, daß "jedes in einem Mitgliedsstaat rechtmäßig hergestellte oder rechtmäßig in Verkeht gebrachte Erzeugnis in einem anderen Mitgliedsstaat verkehrsfähig!"
Diese Urteil wurde zum allgemein gültigen Prinzip in der Rechtsprechung der EG. In der folgenden Zeit wurden viele ähnliche Urteile zu Lebensmitteln, die ein Mitgliedsstaat der EG nicht auf dem eigenen Markt anbieten wollte gefällt. Alle bezogen sich mehr oder weniger auf das "Cassis-Urteil". Juristen sprechen deshalb auch von der Cassis-Formel.

Kommentar
Der Streit zur Akzeptanz über die Einführung von Lebensmitteln aus einem anderen Mitgliedsstaat der EG, wird vielleicht deswegen immer wieder so vehement geführt, weil man tasächlich zwei sehr unterschiedliche Standpunkte einnehmen kann.
Die Befürworter des freien Handels sehen so erst die freie Marktwirtschaft verwirklicht, die Gegner haben Angst um die im eigenen Land unter großer Sorgfallt hergestellten Lebensmittel, die gegenüber den wesentlich preiswerteren ausländischen Lebensmitteln, bald keine Chance mehr auf dem Markt haben könnten.
Das "Deutsche Bier", der "Schweizer Käse", die "Italienischen Nudeln" könnten so durch Billigware verdrängt werden.

Aber was bleibt dem Verbraucher?
Wer Wert auf original italienische Nudeln legt, wird wahrscheinlich auch jetzt schon genauer auf das Etikett schauen. In Zukunft wird dieser Blick wahrscheinlich noch wichtiger, denn im Rahmen neuer Rechtsprechungen wird es immer mehr Lebensmittel geben, bei denen dieser Blick wichtig ist. Angefangen bei den Lebensmitteln die kalorien- oder fettreduziert sind, über Lebensmittel denen bestimmte positive Eigenschaften zugeschrieben werden, bis hin zu den Lebensmitteln, die unter die Novel-Food-Verordnung fallen.

Der "Cassis de Dijon" darf also weiter verkauft werden und falls Sie für einen "Kir Royal" einmal den "Cassis" benötigen, werden Sie sich beim Blick auf den Alkohlgehalt, vielleicht der Bedeutung erinnern.
 

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